Jegliche unkörperliche Nutzung eines Werks genießt also nur dann urheberrechtlichen Schutz, wenn Sie „öffentlich“ erfolgt oder mit anderen Worten: „sich an Mitglieder der Öffentlichkeit richtet“. Hierzu bedarf es nun einer Legaldefinition von „Öffentlichkeit“. 

Während sich der Öffentlichkeitsbegriff alltagssprachlich an der „Abgeschlossenheit eines bestimmbaren Personenkreises“ festmacht, folgt die Definition im UhrG einem anderen Kriterium, denn Abgeschlossenheit erlaubt keine Mengenaussagen, sondern kann als Merkmal Millionen von Menschen umfassen (z.B. alle Schülerinnen und Schüler in Deutschland). Es muss also ein Kriterium gefunden werden, dass über die Abgeschlossenheit hinaus geht. Maßgeblich im Urheberrecht ist daher das Kriterium der persönlichen Beziehungen der Menschen zueinander – und zwar entweder zu demjenigen, der das Werk wahrnehmbar oder zugänglich macht oder zu den anderen Personen, an die sich die Wiedergabe/Zugänglichmachung richtet. Zur Erinnerung noch einmal der Wortlaut von §15 (3):

"Die Wiedergabe ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.

Ist der Personenkreis nicht bestimmbar, so muss man auch davon ausgehen, dass es keine persönlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten gibt. Ist umgekehrt der Personenkreis bestimmbar, so kann man jedoch nicht automatisch von persönlichen Beziehungen ausgehen. Werden zum Beispiel Vertreter von Institutionen zu einer Veranstaltung eingeladen, so ist der Personenkreis zwar bestimmbar und abgeschlossen, jedoch ist in keiner Weise etwas darüber ausgesagt, dass es persönliche Beziehungen zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gibt. Die Forderung nach Vorhandensein persönlicher Beziehungen ist also eine verschärfende Zusatzbedingung gegenüber der bloßen Abgeschlossenheit und Bestimmbarkeit des Personenkreises.

Für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Werkwiedergabe in der Schule ist die Frage, ob diese als öffentlich zu qualifizieren ist oder nicht, ein kontrovers diskutiertes Dauerthema. Die Forderung nach Klarstellung ist zwar berechtigt, es wäre jedoch naiv zu glauben, dass die vielfältigen möglichen sozialen Konstellationen innerhalb und außerhalb von Schulen in einer Art „Liste“ vom Gesetzgeber kategorisiert werden könnten. Einzelfälle zu entscheiden und daraus Präzedenzfälle abzuleiten, ist Aufgabe der Gerichte – und die haben sich bislang noch nicht abschließend mit der generellen Frage der Öffentlichkeit von Werkwiedergaben im Schulunterricht befasst, sodass hier lediglich „herrschende Rechtsmeinungen“ existieren, die aber letztlich nur Selbstdeklarationen von Kommentatoren sind, die nicht mit geltender Rechtslage verwechselt werden dürfen. Letztere wird durch Gesetze und Entscheidungen der obersten Gerichte definiert und nicht durch die (persönliche) Meinung von Gutachtern, Kommentatoren usw.

Als Richtschnur können jedoch folgende, stark vereinfachende Aussagen gelten, die in der Kommentarliteratur immer wieder auftauchen und die auch der Haltung des Schulministeriums NRW entsprechen:

  • der engere Klassenverband wird als nicht-öffentlich betrachtet, weil er auf Langfristigkeit angelegt ist und dadurch persönliche Beziehungen unterstellt werden können.
  • Unterricht in klassenübergreifenden Kursen gelten in der Regel als öffentlich, da sie nicht in gleicher Weise auf Dauer angelegt sind, weswegen nicht automatisch ausreichende persönliche Beziehungen unterstellt werden können. 

Unterricht ist also demzufolge aus urheberrechtlicher Sicht nicht gleich Unterricht.

Wichtig: falls durch eine nicht legitimierte Nutzung eines Werks finanzielle Ansprüche seitens der Rechteinhaber geltend gemacht werden, so richten sich diese gegen den Arbeitgeber, also bei staatlichen Schulen gegen das Land NRW. Nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit kann der Dienstherr die Verursacher in Regress nehmen.

Wer sich an die oben genannten Grundsätze hält, ist auf jeden Fall vor persönlichen Konsequenzen geschützt, da grobe Fahrlässigkeit in Anbetracht der ungeklärten Rechtslage ausgeschlossen werden kann.

Glücklicherweise relativiert sich jedoch die Bedeutung der Definition von Öffentlichkeit, durch die „Bildungsschranke“ des § 60a UrhG.