Unterricht und Lehre ("Bildungsschranke") (§ 60a UrhG)
Im Rahmen der Urheberrechtsreform vom 1. März 2018 wurde die Werknutzung für Unterricht und Lehre neu geregelt und die bisher auf verschiedene Paragraphen verteilten Bestimmungen im neu geschaffenen § 60a zusammengefasst. Dieser lautet:
„§ 60a Unterricht und Lehre
(1) Zur Veranschaulichung des Unterrichts und der Lehre an Bildungseinrichtungen dürfen zu nicht kommerziellen Zwecken bis zu 15 Prozent eines veröffentlichten Werkes vervielfältigt, verbreitet, öffentlich zugänglich gemacht und in sonstiger Weise öffentlich wiedergegeben werden:
- für Lehrende und Teilnehmer der jeweiligen Veranstaltung,
- für Lehrende und Prüfer an derselben Bildungseinrichtung sowie
- für Dritte, soweit dies der Präsentation des Unterrichts, von Unterrichts- oder Lernergebnissen an der Bildungseinrichtung dient.
(2) Abbildungen, einzelne Beiträge aus derselben Fachzeitschrift oder wissenschaftlichen Zeitschrift, sonstige Werke geringen Umfangs und vergriffene Werke dürfen abweichend von Absatz 1 vollständig genutzt werden.
(3) Nicht nach den Absätzen 1 und 2 erlaubt sind folgende Nutzungen:
- Vervielfältigung durch Aufnahme auf Bild- oder Tonträger und öffentliche Wiedergabe eines Werkes, während es öffentlich vorgetragen, aufgeführt oder vorgeführt wird,
- Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines Werkes, das ausschließlich für den Unterricht an Schulen geeignet, bestimmt und entsprechend gekennzeichnet ist, an Schulen sowie
- Vervielfältigung von grafischen Aufzeichnungen von Werken der Musik, soweit sie nicht für die öffentliche Zugänglichmachung nach den Absätzen 1 oder 2 erforderlich ist.
(4) Bildungseinrichtungen sind frühkindliche Bildungseinrichtungen, Schulen, Hochschulen sowie Einrichtungen der Berufsbildung oder der sonstigen Aus- und Weiterbildung.“
Diese Bestimmungen enthalten sehr viele bemerkenswerte Details und vor allem auch Erweiterungen gegenüber den vorherigen Regelungen. Sie sollen in der Folge systematisch betrachtet werden.
Der Zweck der durch § 60a UrhG erlaubten Werknutzung ist allgemein die „Veranschaulichung des Unterrichts und der Lehre“. Dies schließt Begleitmaterialien (Handouts) häufig mit ein.
Unterricht und Lehre müssen nicht-kommerziell an Bildungseinrichtungen betrieben werden und können nahezu die gesamte Bildungskette umspannen (s. Absatz 4).
Teilnehmerkreis sind die Lernende der jeweiligen Lehrveranstaltung sowie Lehrende und Prüfer der Bildungseinrichtung und möglicherweise weitere Gäste, wenn Unterricht und/oder Lernergebnisse präsentiert werden.
Genutzt werden dürfen – grob gesagt – stets 15% eines veröffentlichten Werks sowie alle Werke geringem Umfangs.
Dabei sind praktisch alle relevanten Nutzungshandlungen abgedeckt, nämlich vervielfältigen, verbreiten, öffentlich zugänglich machen und in sonstiger Weise öffentlich wiedergeben.
Allerdings gibt es auch Ausnahmen:
- keine Aufnahme, Wiedergabe usw. eines live aufgeführten/vorgetragenen Werkes
- Ausnahme für Werke, die explizit für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmt sind
- Schutz von Notensatz
Vor allem der zweite Punkt scheint zwar auf den ersten Blick paradox, legitimiert er doch die Nutzung ausgerechnet jener Werke nicht, die für den Schulunterricht am attraktivsten sind. Der Grund für diese Regelung ist jedoch ganz einfach: Durch eine pauschale Nutzungsgenehmigung würde den Urhebern schlicht die Existenzgrundlage entzogen werden, wenn Ihre Werke vergütungsfrei an allen Schulen genutzt werden dürften. Von daher genießen diese Werke – genauer: deren Urheber – einen besonderen Schutz, der aber an Bedingungen gebunden ist:
- Das Werk muss ausschließlich für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmt und geeignet sein.
- Das Werk muss entsprechend gekennzeichnet sein.
- Die Nutzung muss an der Schule stattfinden; für die Nutzung an anderen Bildungseinrichtungen (z.B. Lehreraus- und -weiterbildung) gilt dieses Schutzprivileg nicht.